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1. Die Götter des Olymp cover

1. Die Götter des Olymp

(German)

Also available in English, French and Russian

 

 

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In diesem Buch werden die zwölf Götter des Olymp in ihren wichtigsten und schönsten Mythen lebendig. Dafür sorgt in leichter Manier und einfacher, klarer Sprache Menelaos Stefanides, der eine Autorität auf dem Gebiet der Griechischen Mythologie ist. Eine angenehme Lektüre, die dem Leser auf vergnügliche Weise alles Wissenswerte über die oft so menschlichen Götter der alten Griechen nahe bringt.

Unglaubliche Kämpfe gegen Ungeheuer oder Naturgewalten wie Typhon, Liebeleien und Seitensprünge von Zeus, Durchtriebenheit, Hass, Freundschaften, Weisheit und Großmut, Phantastisches und Menschliches, all dies verwebt sich zu einem kunstvollen Gespinst, in das uns der Autor tief eintauchen lässt. Jedes Kapitel des Buches ist einem Gott gewidmet und am Anfang steht Hesiods Theogonie, der griechische Schöpfungsmythos. Das Werk ist für alle Altersgruppen geeignet.

1. Die Götter des Olymp

(German)

 

Retold by Menelaos Stephanides
with 31 pencil drawings by Yannis Stefanides
Translation: Christina Tell
256 pages, paperback, pocket size 16,5 x 11,5 cm

Ages: 12 and up

ISBN-10: 9604250612, ISBN-13: 9789604250615

 

DIE ENTSTEHUNG DER WELT

 

 

Die Welt wird aus dem Chaos geboren

Diese Geschichte gleicht keiner anderen, denn sie beginnt vor langer, langer Zeit, früher als alle Geschichten, die je erzählt worden sind. Um sie wirklich von vorn zu beginnen, müssen wir weit zurückgehen und uns auf die Suche nach dem Anfang machen, dem Anfang der Zeit, den es niemals gegeben hat...

 

In jener fernen Vergangenheit existierte bereits seit undenklichen Zeiten ein Gott, der den Namen Chaos trug. Chaos lebte ganz allein, um ihn herum war nichts als völlige Leere. Es gab weder Sonne noch Licht, weder Erde noch Himmel, nichts als unendliche Leere und tiefe Dunkelheit.

 

Jahrhunderte und Jahrtausende vergingen auf diese Weise, bis Chaos es endlich müde war, allein zu sein. So begann er, über die Erschaffung der Welt nachzudenken.

 

Als Erstes gebar er die Erdgöttin, die die Griechen Gaia nannten. Sie war unbeschreiblich schön. Voller Kraft und Leben wuchs sie heran, wurde breit und fest und umschloss unermessliche Weiten in ihrer Umarmung. Auf sie gründete sich unsere Welt.

 

Dann brachte Chaos den furchtbaren Tartaros und die schwarze Nacht hervor und gleich darauf den lieblichen, strahlenden Tag.

 

Das Reich des Tartaros war über alle Begriffe tief und dunkel, es lag so tief unter der Erde wie das Chaos über ihr. Wenn man einen eisernen Amboss aus dem Chaos fallen ließe, so würde er neun Tage und neun Nächte fallen und erst im Morgengrauen des zehnten Tages die Erde erreichen. Fiele er hierauf von der Erde weiter in den Tartaros hinab, wäre er abermals neun Tage und neun Nächte unterwegs, bis er endlich in der Morgendämmerung des zehnten Tages die tiefste Tiefe des Tartaros erreichen würde. So tief unter der Erde lag der Tartaros, deshalb war die Dunkelheit in ihm undurchdringlich und schwarz. Zudem war er grenzenlos. Könnte man ihn betreten, würde man ewig fortschreiten, von rasenden Wirbelwinden vorangetrieben, und hätte selbst in einem Jahr das andere Ende nicht erreicht.

 

Mitten in dieser schrecklichen Gegend, die sogar von den Unsterblichen gefürchtet wurde, erhob sich das dunkle Schloss der Nacht, das in alle Ewigkeit in schwarze Wolken gehüllt war. Hierhin zog sich die Nacht bei Tagesanbruch zurück, und wenn der Abend dämmerte, breitete sie sich erneut über die Erde aus.

 

Uranos herrscht über die Welt

Nachdem Chaos sein Werk vollendet hatte, war es an der Zeit, dass die Erdgöttin bei der Erschaffung der Welt half. Sie wollte mit etwas Schönem beginnen und gebar die Liebe, die Göttin, die die Schönheit des Lebens in die Welt brachte. Dann gebar sie den endlosen blauen Himmel, die Berge und das Meer, mächtige Götter, von denen Uranos, der Himmel, der stärkste war. So gestaltete Gaia, die Mutter aller Dinge, die Welt, und sie fand Gefallen an ihrer Schöpfung.

 

Nun war Uranos der mächtigste Gott. Er hüllte die Erde in seinen blauen Mantel und bedeckte sie von einem Ende zum anderen. Sein prächtiger goldener Thron wurde von vielfarbigen Wolken getragen, von ihm aus herrschte er über die ganze Welt und alle Götter.

 

Uranos heiratete Gaia und zeugte mit ihr viele Götter, unter ihnen die zwölf Titanen, von denen sechs männlichen und sechs weiblichen Geschlechts waren. Von riesenhafter Gestalt, verfügten sie über gewaltige Kräfte. Einer von ihnen, Okeanos, breitete sich über die ganze Erde aus und erfreute sich einer zahlreichen Nachkommenschaft. Alle Flüsse der Erde waren seine Kinder, und seine dreitausend Töchter, die Okeaniden, galten als Göttinnen der Quellen und Bäche.

 

Ein anderer Titan, Hyperion, zeugte mit der Titanin Theia drei anmutige Götter: die helle Sonne, die rosenfingrige Morgendämmerung und den silbernen Mond.

 

Der jüngste der Titanen war der listige und ehrgeizige Kronos. Von ihm wird im Weiteren noch ausführlich die Rede sein.

 

Kinder des Uranos und der Gaia waren auch die zornigen Kyklopen, ungeschlachte Riesen, die nur ein einziges Auge mitten auf der Stirn hatten. Diese Götter hatten das Feuer in ihrem Besitz und geboten über Blitz und Donner. Sie lebten in den Bergen, wo sie auf einem Gipfel ein ewiges Feuer unterhielten. Diesen riesigen Vulkan benutzten sie, um Rüstungen und Waffen zu schmieden. Die Kyklopen waren Geschöpfe von fürchterlicher Kraft, wenn sie zwischen den Bergen einhergingen, blitzte und donnerte es, und die ganze Welt erzitterte unter ihrem Schritt.

 

Doch von allen Kindern des Uranos waren die drei Hundertarmigen am größten und schrecklichsten. Es waren Riesen, deren Kraft so groß war, dass sie mit ihren hundert Armen Felsen von der Größe ganzer Berge durch die Luft schleudern und damit die Erde erschüttern konnten.

 

Eine Vielzahl von Göttern gab es nun, doch nach wie vor herrschte Uranos über die Welt und sorgte dafür, dass alle Dinge ihre Ordnung hatten. Er war ungeheuer stark, deshalb waren seine Wünsche Gesetz, und alle gehorchten seinen Befehlen. Die Jahre seiner Herrschaft waren glückliche Jahre, denn es gab weder Tod noch Bosheit noch Hass.

 

Aber alle Dinge haben einmal ein Ende.

 

Eines Tages geriet Uranos über seine Kinder, die Titanen und die Hundertarmigen, in großen Zorn. Sie waren ihm ohne Ehrerbietung begegnet, daher beschloss er, sie streng zu bestrafen. Als Gaia sah, wie wütend er war, fiel sie vor ihm auf die Knie und flehte ihn an, ihnen zu vergeben.

 

„Mein Herr und Gebieter“, rief sie, „Herrscher über die ganze Welt, ich bitte dich, vergib unseren Kindern und stürze die Familie der Götter nicht ins Verderben.“

 

Der Zorn des Uranos war jedoch nicht zu besänftigen.

 

„Mutter der Götter“, entgegnete er, „wenn Kinder aufhören, ihren Vater zu achten, müssen sie verbannt werden. Lasse ich sie ungestraft, so werden sie mich erneut herausfordern und mich möglicherweise gar vom Thron der Götter stoßen.“

 

Mit diesen Worten öffnete er die Erde und schleuderte die Titanen und die Hundertarmigen in die dunklen Tiefen des Tartaros hinab. Weder das Licht des Tages noch der schwache Widerschein der Nacht drang zu ihnen, überall war nur tiefe, undurchdringliche Finsternis ohne Ende.

 

Kronos stößt Uranos von seinem Thron

Gaia wollte es schier das Herz brechen, als sie die eigenen Kinder in ihrem Inneren gefangen wusste. Sie beschloss, mit ihnen zu reden und sie zum Widerstand zu bewegen. „Wehe mir“, sprach sie, als sie ihre Kinder gefunden hatte, „wie kann ich bis in alle Ewigkeit mit dem Wissen weiterleben, dass meine Kinder im finsteren Tartaros eingeschlossen sind? Wer von euch bringt den Mut auf, der neue Herr über die Götter zu werden? Euer Vater hat lange genug geherrscht. Nun ist es Zeit, dass ein anderer an seine Stelle tritt.“

 

Die Titanen senkten die Köpfe, desgleichen die Hundertarmigen. Uranos war über alle Maßen stark und jetzt in seinem Zorn noch weitaus Furcht erregender. Doch es gab einen unter ihnen, dessen Augen vor Freude leuchteten. Das war Kronos, der sich stets danach gesehnt hatte, selbst Herrscher über die Welt zu werden. Er wusste, dass Uranos seine Kinder nicht zu Unrecht in den Tartaros geschleudert hatte. Nun aber war seine Stunde gekommen.

 

Mit Hilfe der Mutter floh Kronos aus seinem dunklen Gefängnis und gelangte wieder an die Erdoberfläche. Des Lichts entwöhnt, war er im ersten Moment so geblendet, dass er nichts von der Welt um ihn herum wahrzunehmen vermochte. Aber bald gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit, und Kronos sah die Schönheit der Erde mit ihren hohen Bergen, dem weiten blauen Meer und dem grenzenlosen, lichterfüllten Himmel, während er die Wärme der Sonne wie eine zarte Liebkosung auf seiner Haut spürte.

 

„Mutter Erde“, rief er aus, „ich danke dir, dass du mich diese wunderbare Welt erneut hast sehen lassen, diese Welt, die bald mir gehören wird. Doch nun lebe wohl. Ich weiß, was ich zu tun habe.“

 

Kronos entschwand den Blicken der Mutter. Nachdem er sich eine große Sichel angefertigt hatte, hüllte er sich in eine Wolke und flog hoch in den Himmel hinauf, um dort auf eine günstige Gelegenheit zu warten. Diese stellte sich bald ein. Als Uranos schlief, schlich er sich heimlich an ihn heran, und im nächsten Augenblick war die Tat schon vollbracht. Kronos verwundete seinen Vater mit der Sichel so schwer, dass dieser in Zukunft weder in der Lage war, über die Welt zu herrschen, noch weitere Kinder zu zeugen.

 

„Ein zweifacher Erfolg“, sagte sich Kronos, „denn nun habe ich von Uranos nichts mehr zu befürchten.“ Kaum jedoch war ihm dieser Gedanke durch den Kopf gegangen, als sich der Tag verdunkelte, Donner und Blitz die Welt erzittern ließen und des Vaters schreckliche Stimme wie das Gebrüll eines wilden Tieres widerhallte:

 

„Verflucht sollst du sein, abscheuliche Brut, mögen deine Kinder dir mit Gleichem vergelten, was du deinem Vater angetan hast!“

 

Jeder andere wäre vor Schreck erstarrt, hätte er einen solchen Fluch vernommen, Kronos dagegen blieb völlig ungerührt. Er war so glücklich über seinen Erfolg, dass er keinen störenden Gedanken zuließ. Nachdem er auch die übrigen Titanen aus dem Tartaros befreit hatte, fühlte er sich noch sicherer, denn auf sie konnte er seine Herrschaft gründen. Die Hundertarmigen aber ließ er eingesperrt, denn er fürchtete ihre Stärke, während er die Titanen so gut kannte, dass er sich ihrer stets bedienen konnte, um seine eigenen Interessen zu fördern. Nur ein Einziger von ihnen verweigerte Kronos seine Unterstützung. Es war Okeanos, dem es ruchlos erschien, dass ein Sohn seinen eigenen Vater verwundet und vom Thron verdrängt. Deshalb wollte er an den Plänen des Kronos keinen Anteil haben. Er zog sich in die entlegensten Winkel der Erde zurück und lebte in Frieden, ohne sich an der ungesetzlichen Herrschaft seines Bruders zu beteiligen.

 

Durch die schändliche Tat des Kronos kam großes Unheil über die Welt. Um ihn zu strafen, gebar die Nacht einen Schwarm furchtbarer Gottheiten: den Tod, den Betrug, den Alptraum, die Zwietracht, die Rachsucht und viele andere. Kronos herrschte nun auf dem Thron seines Vaters über eine Welt voller Schrecken, Betrug, Hass, Angst, Rachsucht und Krieg. Götter und Menschen würden künftig für sein Vergehen büßen müssen.

 

Die Geburt des Zeus

Es dauerte nicht lange, bis auch der allmächtige Kronos von Furcht erfasst wurde. Er war sich jetzt nicht mehr so sicher, dass seine Herrschaft ewig währen würde. Mit Schrecken gedachte er seines Vaters Fluch und fürchtete, dass sich seine eigenen Kinder gegen ihn auflehnen würden, so wie er selbst sich gegen Uranos erhoben hatte.

 

Aus diesem Grund fällte er eine schreckliche Entscheidung. Er befahl seiner Gemahlin Rhea, ihm jedes Kind zu bringen, das sie bekommen würde, um es dann sogleich zu verschlingen. So verschlang er fünf Kinder, die ihm Rhea geboren hatte: Hera, Demeter, Hestia, Hades und Poseidon.

 

Dann erwartete Rhea wiederum ein Kind und war verzweifelt. Sie wusste sich keinen Rat, wie sie es retten konnte. Deshalb ging sie zu ihren Eltern, Uranos und Gaia, die ihr rieten, ihr Kind auf Kreta zur Welt zu bringen. Dort im Diktegebirge gab es eine heilige Höhle, die im dichten Wald wohl verborgen war. Rhea tat, wie ihr geheißen wurde, und vertraute ihr Kind den Waldnymphen an, die bei der Geburt geholfen hatten. Dann kehrte sie heimlich in den Palast des Kronos zurück und täuschte Geburtswehen vor.

 

Der fürchterliche Kronos glaubte wirklich, dass seine Gemahlin in den Wehen lag, und versäumte nicht, sie an seinen grausamen Befehl zu erinnern. „Komm rasch zu Ende, Weib, ich kann dein Geschrei nicht ertragen, und bringe mir das Kind, sobald es geboren ist.“ Mit diesen herzlosen Worten verließ er Rheas Gemach.

 

Kaum war er hinausgegangen, nahm Rhea einen Stein, hüllte ihn in Windeln, sodass er ganz darin verborgen war, und brachte ihn ihrem Mann anstelle des Kindes. Kronos schöpfte keinen Verdacht, er verschlang den Stein und war beruhigt.

 

Das Kind, das auf diese Weise gerettet wurde, trug den Namen Zeus.

 

ZEUS

Zeus wächst auf Kreta heran

In jener schweren Zeit, als mit der Herrschaft des Kronos das Böse in die Welt kam, war die Geburt des Zeus ein Hoffnungsschimmer, und durch seine Rettung erschien der Kampf für eine bessere Welt möglich.

 

Alle Götter Kretas eilten dem Kind zu Hilfe, das in der Höhle des Diktegebirges das Licht der Welt erblickt hatte. Es war, als ob sie ahnten, dass dieses Geschöpf die Welt von ihren Banden befreien würde.

 

Die Nymphen des Waldes hegten das Neugeborene mit besonderer Zärtlichkeit. Sie legten es in eine goldene Wiege und schaukelten es sanft in den Schlaf. Und wenn es erwachte, beugten sie sich über die Wiege und sangen ihm liebliche Weisen.

 

Alle lebten in ständiger Angst, dass Kronos das Geschrei des Säuglings vernehmen könnte. Deshalb umstanden bewaffnete Krieger, Kureten genannt, seine Wiege und schlugen jedes Mal, wenn er zu schreien begann, ihre Schwerter gegen die Schilde. Sie machten einen derartigen Lärm, dass sie das Weinen des Zeuskindes übertönten. So konnte es der herzlose Vater nicht hören.

 

Die Tiere des Waldes hatten den jungen Gott sehr gern und halfen ihm, so gut sie konnten. Selbst die Bienen bewiesen ihm ihre Liebe, indem sie ihm jeden Tag süßen Honig brachten.

 

Den wertvollsten Dienst erwies dem Kind die heilige Ziege Amaltheia. Sie liebte ihn wie ihre eigenen Jungen und ließ ihn ihre Milch trinken. Voller mütterlicher Fürsorge wachte sie ständig über ihn und wich niemals von seiner Seite.

 

Auch Zeus hatte Amaltheia in sein Herz geschlossen. Sein größtes Glück war es, auf ihren Rücken zu klettern und mit ihr zu spielen. Die sanftmütige Ziege duldete ergeben all seine Neckereien.

 

Doch eines Tages ergriff der kleine Zeus im Spiel eines ihrer Hörner, und seine Kraft war schon so groß, dass es abbrach. Amaltheia war tief betrübt und schaute den Knaben vorwurfsvoll an. Dem jungen Gott tat seine Unachtsamkeit Leid, er bat das heilige Tier, nicht traurig zu sein, und versprach ihm, dass das abgebrochene Horn, das Horn des Überflusses werden sollte, das immer mit allem gefüllt sein würde, was ihr Herz begehrte. Und so geschah es dann auch. Jedes Mal, wenn Amaltheia das Füllhorn umkehrte, fielen erlesene Früchte aus seiner Öffnung, Feigen, Weintrauben, Äpfel und was immer sie sich gerade wünschte.

 

Alle Tiere des Waldes spielten mit Zeus, und die Nymphen brachten ihm kostbare Geschenke. Die Nymphe Adra­steia gab ihm einen wunderbaren Ball, der aus goldenen Ringen gefügt war. Wenn der Knabe ihn in die Höhe warf, hinterließ er eine leuchtende Spur wie eine Sternschnuppe. Zeus war außer sich vor Freude über dieses herrliche Geschenk.

 

Zeus fasst einen großen Entschluss

Es gab auch einen weisen Adler, der dem jungen Gott von Herzen zugetan war. Er brachte ihm Nektar aus Gegenden, die weit jenseits des Ozeans lagen, und fesselte ihn mit seinen Erzählungen von den fernen Ländern, die er besucht hatte. Das Kind lauschte dem Adler mit weit aufgerissenen Augen und lernte dabei so viele Dinge, dass die Nymphen über seine Kenntnisse staunten.

 

Zeus wuchs zu einem starken, kühnen und hübschen Jüngling heran, der an Tapferkeit und Wissen von niemandem übertroffen wurde. Da erzählte ihm der Adler eines Tages von Kronos. „Du bist der Sohn des Kronos“, sagte er, „und dein Vater hat deine Geschwister verschlungen, weil er fürchtete, dass sie ihm den Thron streitig machen würden.“

 

Als Zeus von dieser schrecklichen Tat erfuhr und hörte, dass in seines Vaters Reich nach wie vor Niedertracht und Unrecht herrschten, fasste er seinen Entschluss. Er würde Kronos vom Thron der Götter stoßen.

 

Zeus verließ Kreta, um Mittel und Wege zur Verwirklichung seines Planes zu finden. An einem Fluss traf er den Titanen Okeanos. Okeanos wusste sogleich, wen er vor sich hatte und was jener von ihm wollte. „Ich will dir helfen“, sprach er zu ihm, „doch vor allem anderen musst du deine Geschwister befreien, die noch in deines Vaters Leib gefangen sind.“

 

Okeanos rief seine Tochter Metis herbei, eine weise Okeanide, die alle Kräuter der Erde kannte, und sagte ihr, dass er einen Trank benötige, der Kronos dazu bringen würde, seine Kinder wieder von sich zu geben. In kurzer Zeit hatte Metis ein geeignetes Kraut gefunden und den gewünschten Trank zubereitet.

 

Zeus füllte ihn in einen goldenen Kelch, und es gelang ihm, ihn Kronos als erlesenen Wein anzubieten, ohne dass dieser merkte, wer er war.

 

Ein einziger Schluck genügte. Kronos bekam sogleich heftige Leibschmerzen. Er konnte die Kinder nicht länger bei sich behalten und begann, sie auszuspeien. Zuerst kam der Stein zum Vorschein, den er zuletzt verschlungen hatte, und dann die fünf anmutigen Kinder des Gottes, eines nach dem anderen. Kaum waren sie befreit, so liefen sie, ihren Bruder zu umarmen, der sie erlöst hatte. Als Kronos begriff, dass man ihn hintergangen hatte, war es bereits zu spät. Doch sollte die Sache damit noch nicht ihr Bewenden haben.

 

Die Titanenschlacht

Kronos erkannte die Gefahr und rief die Titanen, seine starken Brüder, zu Hilfe. Zeus wiederum begriff, dass er nichts ausrichten würde, ehe nicht seine eigenen Brüder herangewachsen wären.

 

Als es endlich soweit war, kamen die Geschwister zusammen, um ihrem Befreier mit vereinten Kräften beizustehen. Andere Götter schlossen sich ihnen an, allen voran der mächtige Okeanos mit seinen Nachkommen Kratos, Zelos und Nike, die Ordnung, Arbeit und Frieden wollten. Auch Prometheus gesellte sich zu ihnen. Er war der Sohn des Titanen Iapetos und liebte die Menschen sehr. Ferner halfen Zeus die einäugigen Kyklopen. Sie gaben ihm Blitz und Donner als Waffen gegen seine Feinde in die Hand. Zeus selbst trug das Fell der heiligen Ziege Amaltheia, die ihn im Diktegebirge gesäugt hatte, um die Schultern. Dieses Zauberfell, die Aigis, gewährte seinem Träger Schutz, sodass Zeus damit unverwundbar war.

 

Als Kronos von den Vorbereitungen des Zeus erfuhr, versammelte er die Titanen auf dem Othres, einem Bergmassiv, dessen Hänge mit riesigen Felsbrocken übersät waren. Diese schützten sie nicht nur, sondern dienten ihnen auch als Wurfgeschosse, die sie mit ihren gewaltigen Kräften aufnehmen und auf die Feinde hinabschleudern konnten.

 

Zeus und seine Verbündete errichteten ihr Lager auf dem hohen Olymp, der von nun an ihre Festung war und auf dem sie später goldene Paläste errichten sollten.

 

Bevor die Schlacht begann, versammelten sich die Götter um einen Altar, den die Kyklopen errichtet hatten, und schworen, unter Aufbietung all ihrer Kräfte für eine bessere und gerechtere Welt zu kämpfen. Dann schwangen sie ihre Speere und stürzten sich mit einem Kriegsruf, der den Olymp erzittern ließ, auf die Titanen. So begann der verheerendste Krieg aller Zeiten, die furchtbare Titanenschlacht, die zehn Jahre dauern und die ganze Erde verwüsten sollte.

 

Dicke, schwarze Wolken ballten sich am Himmel und verdunkelten die Sonne. Ein entsetzlicher Sturm brach los, er heulte und tobte wie tausend Dämonen. Die Wolken jagten am Himmel dahin und prallten zusammen, als ob auch sie sich im Kampf befänden. Plötzlich brachten heftige Donnerschläge des Zeus die Erde ins Wanken, grelle Blitze durchzuckten den Himmel. Ein Hagel von Donnerkeilen ging auf das Lager des Kronos nieder. Da ergriffen die Titanen riesige Felsblöcke und schleuderten sie mit fürchterlicher Wucht auf ihre Feinde hinab. Die Götter des Olymp drangen jedoch unbeirrt gegen den Othres vor und gingen mit Schwertern, Speeren, ja sogar mit den bloßen Händen auf die Titanen los. Wie rasende Bestien fielen Titanen und Olympier übereinander her, und ihr Hass entlud sich in einem wilden, grausamen Kampf. Die Erde bebte, Wälder gingen in Flammen auf, das Meer kochte, und schwarze Rauchschwaden standen in der sengenden Hitze.

 

Es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm. Auf das Zischen der Blitze folgten Donnerschläge, das Klirren der Waffen vermischte sich mit dem drohenden Grollen des Erdbodens, und die wilden Schreie der Krieger drangen durch das Tosen des Windes, sie übertönten sogar noch den Donner des Zeus. In ihrem heftigen Ringen fanden sich beide Seiten bald auf dem Othres, bald an der Küste, bald in der thessalischen Ebene wieder. Den Titanen gelang es in einer Phase der Schlacht, eine Wolke erstickenden Dampfes gegen ihre Feinde auszusenden und sie damit auf den Olymp zurückzudrängen. Doch nicht für lange. Bald schon verließen die Götter das Bergmassiv wieder und stürmten in die Ebene hinab, wo sie erneut mit den Titanen zusammenstießen. Erde, Himmel und Meer waren zu einer einzigen riesigen Hölle geworden, doch keine Seite konnte einen Vorteil erlangen.

 

Irgendwann gelang es Zeus, die Hundertarmigen aus den Tiefen der Erde zu befreien, in denen Kronos sie aus Furcht vor ihrer mächtigen Kraft gefangen gehalten hatte. Nun stürzten sich diese berghohen Riesen an der Seite ihres Befreiers in die Schlacht. Die Titanen leisteten hartnäckigen Widerstand, und die Erde wurde so erschüttert, dass sie sich mehrfach auftat und die tiefsten Tiefen des Tartaros freigab. Die Katastrophe erreichte ihren Höhepunkt, als sich die Titanen, die Hundertarmigen und die Götter des Olymp von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Die Erde bebte, Berge stürzten ins Meer, eine Sturmflut raste über das Land dahin. Zeus spaltete mit Blitz und Donner ganze Gebirge, und die Flammen schlugen bis zur Sonne empor. So furchtbar war diese Schlacht, dass es schien, als ob die Erde in den Tartaros versinken und der Himmel einstürzen wollte.

 

Neun ganze Jahre dauerte der grauenvolle Kampf. Im zehnten Jahr begann die Kraft der Titanen zu erlahmen, und es kam zu einer schrecklichen Verfolgungsjagd über Wasser und Land. Die erschöpften Titanen liefen vor dem wilden Zorn ihrer Feinde davon, sie liefen um ihr Leben. Bis zur anderen Seite des Ozeans, bis ans Ende der Welt verfolgten sie die Götter, und bei dieser wilden Jagd wurde alles zerstört, was bislang unversehrt geblieben war.

 

Schließlich kamen die Titanen wieder nach Griechenland zurück. Von hier waren sie aufgebrochen, hier sollte sie ihr Ende erwarten. Ein letztes Mal boten die Götter des Olymp all ihre Kräfte auf und stürzten sich wie ein verheerender Wirbelwind auf die Titanen. Diese wehrten sich verbissen, wilden Tieren gleich, die vom Jäger gestellt werden. Erde und Himmel, Feuer und Wasser vermischten sich, Tag und Nacht waren nicht mehr auseinander zu halten.

 

Und als ob all dies noch nicht genügt hätte, nahmen die Hundertarmigen dreihundert Felsen von der Größe eines Berges auf und schleuderten sie auf das Lager der Titanen.

 

Nie zuvor hatte es ein Erdbeben dieses Ausmaßes gegeben. Als es aufhörte, breitete sich eine seltsame Stille aus.

 

Der Kampf war vorüber, der Feind geschlagen.

 

So endete der größte Krieg aller Zeiten, die Titanenschlacht, die auf den ersten Blick wie ein reines Phantasiegebilde erscheint, vermutlich aber auf eine Naturkatastrophe hinweist, die sich tatsächlich ereignet hat. Wer durch Griechenland reist und dort gespaltene Berge findet und andere, die aussehen, als ob sie ins Meer gestürzt sind, mag an diese legendäre Schlacht denken. Vielleicht haben die gewaltigen Verwüstungen, von denen wir heute wissen, dass sie durch Erdbewegungen bewirkt wurden, bei den Menschen jener Zeit den Mythos von der Titanenschlacht entstehen lassen.

 

Doch unsere Geschichte ist hier noch nicht zu Ende.

 

Die Titanen wurden mit schweren, von den Kyklopen geschmiedeten Ketten gefesselt und von den Göttern des Olymp in die finsteren Tiefen des Tartaros geworfen. Gewaltige eiserne Tore, vor denen die Hundertarmigen Wache standen, schlossen sich über ihrem schrecklichen Gefängnis.

 

Unzählige Jahrhunderte lagen die Titanen dort gefangen und sehnten sich nach dem Licht des Tages.

 

Die Sieger aber kehrten voller Stolz über ihren großen Triumph an die sonnigen Hänge des Olymp zurück. Schauten sie freilich auf die Erde hinab, zog ein Schatten über ihr Gesicht. Sie war nicht wiederzuerkennen, die entsetzliche Schlacht hatte keinen Stein auf dem anderen gelassen. Die Götter sahen, dass es eine schwere Aufgabe sein würde, die verwüstete Erde wiederherzurichten.

 

Zeus kämpft gegen Typhon

Doch es blieb ihnen kaum Zeit, sich ihres Sieges zu freuen, denn schon nahte ein neuer, fürchterlicher Feind.

 

Gaia zürnte Zeus und den anderen Göttern, weil sie so hart zu ihren Kindern, den Titanen, gewesen waren. Deshalb vereinigte sie sich mit dem finsteren Tartaros und gebar das schreckliche Ungeheuer Typhon, einen riesigen Drachen, der die höchsten Berggipfel überragte. Er hatte hundert Köpfe mit schwarzzüngigen Mäulern, und Feuer schoss aus seinen Augen. Sein wildes Gebrüll hallte in den Gebirgsschluchten wider, bald glich es dem Heulen des Sturmes, bald dem Gebrüll eines wilden Löwen, bald dem eines gereizten Stiers. Unwetter, Stürme und verheerende Wirbelwinde brachte Typhon mit sich.

 

Als die Götter dieses furchtbare Untier auf den Olymp zukommen sahen, erschraken sie sehr. Viele von ihnen flohen nach Ägypten, um sich dort in Sicherheit zu bringen. Zeus aber stürzte sich unerschrocken auf Typhon und hieb mit einer diamantenen Sichel auf ihn ein. Vor Schmerz aufheulend, wandte sich das Ungeheuer zur Flucht. Zeus nahm die Verfolgung auf, und wiederum hagelten seine Donnerkeile auf die Erde nieder.

 

Typhon hinterließ auf seinem Weg eine Spur des Grauens. Ein rasender Wirbelwind machte alles dem Erdboden gleich. Ganze Wälder wurden entwurzelt, Felsen stürzten von den Bergen herab, die Meereswogen türmten sich haushoch und spülten hinweg, was sich ihnen in den Weg stellte. Auf diese Weise erreichten Zeus und Typhon irgendwann Syrien.

 

Hier stellte sich das Ungeheuer seinem Verfolger, und es begann ein erbitterter Kampf, in dessen Verlauf es Typhon gelang, Zeus zu packen und mit seinem Schlangenleib zu umschlingen. Er entwand ihm die diamantene Sichel, durchschnitt die Sehnen seiner Hände und Füße und zog sie aus seinem Körper. Kraftlos sank der mächtige Gott zu Boden. Sogleich trug ihn das Untier in eine Höhle in Kilikien und lief davon, einen Felsblock zu holen, mit dem es die Höhle verschließen konnte.

 

Während Typhon einen Stein von passender Größe suchte, kam Hermes, der listige Sohn des Zeus, seinem Vater zu Hilfe. Es gelang ihm, die Sehnen des Gottes zu entwenden und sie mit großer Geschicklichkeit und Geduld wieder in seine Hände und Füße einzusetzen. Als Typhon begriff, was geschehen war, war es bereits zu spät. Zeus stürzte sich ohne Erbarmen auf das Ungeheuer, er schleuderte seine Blitze nach ihm, bis es vor Schmerz aufheulte und sich zurückzog. Auch jetzt zerstörte es bei seiner Flucht alles, was ihm in den Weg kam. Als er die Berge Thrakiens erreichte, leistete Typhon ein letztes Mal verzweifelten Widerstand. Die Gebirgshänge färbten sich rot von dem Blut, das aus seinen Wunden strömte. Seit jener Zeit nennen die Griechen die Gebirgskette, die quer durch das heutige Bulgarien verläuft, Haimos, eine Bezeichnung, die auf das griechische Wort für Blut zurückgeht.

 

Schließlich erreichte Typhon Sizilien, wo Zeus hundert Blitze auf einmal auf das fliehende Untier schleuderte und all seine Köpfe verbrannte. Es sank zu Boden, und sein Schlangenleib ging in Flammen auf. Um ganz sicher zu gehen, wälzte Zeus noch ein Bergmassiv auf das brennende Ungeheuer. Das Feuer bahnte sich jedoch seinen Weg durch das Gestein, brach aus dem Gipfel hervor und bildete einen Vulkan. Ätna ist sein Name, und er ist bis auf den heutigen Tag nicht erloschen. So verbreitet Typhon noch immer Angst und Schrecken und verursacht oft große Katastrophen.

 

Abermals kehrte Zeus als Sieger auf den Olymp zurück. Alle Feinde waren geschlagen, und die Götter konnten die Welt in Frieden regieren. Doch zunächst musste die verwüstete Erde wieder fruchtbar gemacht und das Lächeln des Friedens auf die Lippen der Menschen zurückgebracht werden. Die Olympier teilten die Welt untereinander auf, um die Ordnung in möglichst kurzer Zeit wiederherzustellen. Zeus, der mächtigste von ihnen, übernahm die Herrschaft über den Himmel. Poseidon wurde Herr der Meere und Hades oder Pluton, wie er auch genannt wird, erhielt das Reich der Unterwelt, in das die Seelen der Toten gelangten. Die Erde mit all ihren Früchten wurde Demeter zugeteilt, während Hera, die Herrin des Himmels, die Schutzherrschaft über die Ehe übernahm und die Menschen mit Kinderreichtum segnete. Viele andere Götter lebten noch auf dem Olymp, über allen stand aber Zeus, der Herr über die Götter und die Menschen.

 

Der Olymp

Nach ihrem Sieg über die Titanen erbauten die Götter auf den höchsten Gipfeln des Olymp prächtige Paläste. Sie waren aus purem Gold und hatten ihresgleichen nicht in der ganzen Welt. Majestätisch wie die Götter selbst erstrahlten sie im Licht der Sonne.

 

An ihrem Eingangsportal standen drei anmutige Göttinnen, die Horen. Sie hielten die Wolken fern, sodass über den Dächern der Paläste der Himmel stets blau war und niemals ein Schatten auf sie fiel. Weder Regen noch Wind, weder Hitze noch Kälte gab es auf dem Olymp, es herrschte dort ewiger Sommer. Nur während der Abwesenheit der Götter legten die Horen einen Wolkenschleier über die prachtvollen Bauten, um sie vor der Welt zu verbergen. Kehrten die Unsterblichen dann heim, vertrieben die drei Göttinnen die Wolken, und die Paläste erstrahlten erneut in ihrem goldenen Glanz.

 

Tief unter ihnen, die Erde war von Wolken bedeckt und unterlag dem Wechsel der Jahreszeiten. Auf Frühling und Sommer folgten Herbst und Winter und auf Glück und Freude Unglück und Leid. Auch die Götter kannten Augenblicke der Bitternis, doch waren diese nur von kurzer Dauer, und das Glück säumte nicht, zu ihnen zurückzukehren.

 

Es war ein herrliches Leben auf dem Olymp. Bei ihren Gelagen aßen die Götter Ambrosia, tranken Nektar und freuten sich ihrer ewigen Jugend. Die lieblichen Chariten und die Musen sorgten für ihre Unterhaltung. Sie fassten sich an den Händen und tanzten und sangen so entzückend, dass die Olympier von ihrer leichtfüßigen Anmut wie verzaubert waren. Und wenn Musen und Chariten ihren Tanz beendet hatten, sangen sie stets eine Hymne auf den allmächtigen Zeus, den Vater der Götter und der Menschen, der ihr höchster Gott war.

 

In der Tat achteten die Götter Zeus wie einen Vater. Er war der stärkste von ihnen und hatte sie in den Kampf gegen Kronos und die Titanen, gegen das Böse und die Ungesetzlichkeit geführt und ihnen zum Sieg verholfen.

 

Zeus thronte majestätisch über den Göttern. Seine Gemahlin war die stattliche Hera, die Himmelskönigin. Prächtig gekleidet und strahlend vor Schönheit und Würde, nahm sie ihren Platz auf einem goldenen Thron zu seiner Rechten ein, und alle Götter begegneten ihr mit der ihr zukommenden Ehrerbietung. Zwei andere Göttinnen standen auf Zeus’ linker Seite. Es waren die Friedensgöttin Eirene und die geflügelte Siegesgöttin Nike, die den Göttervater im Kampf gegen das Böse unterstützte.

 

Zeus regiert die Welt

Aus seinem himmlischen Reich schaute Zeus auf die Erde hinab und regierte über alle Dinge. Er wirkte dem Bösen entgegen und bewahrte die Ordnung. Wehe dem, der seine Gesetze verletzte, denn wenn der Göttervater nur die Augenbrauen zusammenzog, verhüllten schwarze Wolken den Himmel. Geriet er in Zorn, war sein Antlitz furchtbar anzuschauen, und grelle Blitze schossen aus seinen Augen. Zeus brauchte nur seine Hand zu bewegen, schon erschütterten Donnerschläge die Erde. So zeigte er seine Stärke, bestrafte alle, die den Frieden brachen, und rief den Menschen die Gesetze der Götter in Erinnerung.

 

Solange sie aber nicht gegen die göttliche Ordnung verstießen und ihn ehrten, belohnte Zeus die Erdbewohner mit wärmendem Sonnenschein und Leben spendendem Nass, und sie freuten sich an den Früchten seiner Gnade.

 

Alle Götter waren Zeus zu Willen, sie sorgten dafür, dass seine Gesetze eingehalten und seine Befehle ausgeführt wurden.

 

Themis, die Göttin der Gesetze, war stets an seiner Seite. Sie nahm seine Befehle entgegen und übermittelte sie augenblicklich den Menschen. So wurden die von Zeus festgelegten Gesetze auf der Erde verbreitet.

 

Die Göttin Dike verteidigte die Gerechtigkeit und hasste die Falschheit. Wo immer sie ein Unrecht sah, setzte sie Zeus davon in Kenntnis, und er fällte dann sein Urteil. Mit wem Zeus ins Gericht ging, der war übel dran, denn eine härtere Strafe konnte ihn nicht treffen.

 

Bereute ein Missetäter jedoch, bevor es zu spät war, so verzieh ihm Zeus großmütig, und die grausamen Erinyen, die Rachegöttinnen der Unterwelt, ließen von ihm ab.

 

Zeus war es auch, der den Menschen Freude und Leid zuteilte. Zwei große Tongefäße standen am Eingang zu den Palästen des Olymp. Das eine von ihnen enthielt alles Glück, das andere alles Unglück der Welt. Aus diesen Gefäßen nahm Zeus Gutes und Böses, und jeder Mensch auf der Erde bekam seinen Teil davon. Wehe dem, für den der große Zeus allein in das Gefäß des Bösen griff. Er war zum Unglück verurteilt, und es gab kein Mittel, ihn davor zu bewahren, denn es war der Wille des Göttervaters. Erhielt jemand hingegen ausschließlich Gaben aus dem Gefäß des Guten, war er der glücklichste Mensch der Welt. Das geschah allerdings selten, ja fast nie. Wer Glück und Unglück zu gleichen Teilen empfing, musste schon zufrieden sein, denn das Los der Menschen war schwer.

 

„Dem Menschen ist es bestimmt zu leiden“, sagte der mächtige Zeus, „denn selbst die Unsterblichen kennen sowohl Freude als auch Bitternis.“

 

Doch obgleich es Zeus war, der Freude und Leid austeilte, so entschieden letztlich seine drei Töchter, die unbestechlichen Schicksalsgöttinnen, über das Los der Menschen. Selbst Zeus griff niemals in ihr Wirken ein, denn niemand hatte das Recht, die Gesetze zu ändern, die das Leben bestimmten. Die Schicksalsgöttinnen, von den Griechen Moiren genannt, übten eine furchtbare Macht aus und waren taub für alle Bitten, Gebete und Opfer. Was immer sie entschieden, alle mussten sich damit abfinden. Klotho spann den Lebensfaden jedes Sterblichen und bestimmte damit, wie lange sein Leben währte. Wurde der Faden durchgeschnitten, so starb er. Lachesis, die zweite der Göttinnen, zog mit geschlossenen Augen das Los jedes Menschen. Gut oder schlecht, von jenem Augenblick an war es sein unabänderliches Schicksal. Niemand konnte das Los ändern, das die Moiren für ihn ausgewählt hatten, denn die dritte von ihnen, Atropos, hielt auf einer langen Papyrosrolle ein für allemal fest, was die beiden anderen beschlossen hatten. Und was einmal geschrieben war, das konnte nicht einmal von den Schicksalsgöttinnen selbst wieder ausgelöscht werden.

 

So waren die Moiren, hart, unerbittlich und unnahbar.

 

Außer den unbarmherzigen Moiren lebte auf dem Olymp aber auch eine äußerst freigebige Göttin, die den Menschen nur Gutes tat. Es war Tyche, die Göttin des glücklichen Zufalls und des Überflusses. In den Händen hielt sie das Horn der Amaltheia, eben jenes Horn, das der kleine Zeus der heiligen Ziege im Spiel abgebrochen hatte. Nun zog diese anmutige Göttin durch die Welt und bedachte die Menschen mit reichen Gaben aus dem Füllhorn. Ihr waren aber die Augen verbunden, sodass ihre Gaben willkürlich auf die Menschen fielen und bald den Gerechten, bald den Ungerechten, bald den Fleißigen, bald den Faulen begünstigten. Wer den Weg der Tyche kreuzte, dem lachte das Glück, denn sie leerte sogleich das Füllhorn über ihn aus, sodass unermesslicher Reichtum herausquoll. Doch wahrhaftes Glück war nur wenigen Menschen vergönnt, denn einerseits kam es selten vor, dass jemand Tyche begegnete, und andererseits war Reichtum allein dafür nicht ausreichend.

 

Auch Zeus selbst half den Menschen auf mancherlei Art und Weise. In Dodone besaß er eine heilige Eiche, die schmackhafte, süße Früchte trug. Es wird sogar berichtet, dass diese Eicheln die ersten Früchte waren, die die Menschen je aßen. Wer den Rat des Zeus suchte, kam zu diesem heiligen Ort. Hatte er dem Gott geopfert und seine Bitte ehrfürchtig vorgetragen, kam ein leichter Wind auf, und die Blätter des Baumes bewegten sich. Die Priester des Heiligtums deuteten das Wispern der Blätter und gaben den Orakelspruch des Zeus bekannt. Dieser wurde in jedem Fall geachtet. Nie hat man je davon gehört, dass jemand das Orakel von Dodone befragt hätte, um seinen Rat dann zu verwerfen.

 

Doch von allen Orten, an denen Zeus verehrt wurde, war Olympia der bedeutendste. Hier stand der prachtvolle Tempel des olympischen Zeus. Alle vier Jahre trafen sich die Menschen aus ganz Griechenland, das in viele Stadtstaaten unterteilt war, um in Eintracht Zeus zu ehren und an den berühmten Olympischen Spielen teilzunehmen. Mit Trompeten kündigten heilige Herolde das Ereignis in allen Teilen des Landes an. Selbst Kriege wurden dann unterbrochen, und die Gedanken aller waren ausschließlich auf sportliche Siege im Stadion zu Olympia gerichtet. Junge Athleten wetteiferten im Laufen, Weitsprung, Diskuswurf, Ringen und in anderen Sportarten. Ihre einzige Belohnung war ein Kranz vom Ölbaum, ihr einziger Wunsch, in fairem Wettkampf Ruhm für sich und ihre Stadt zu erringen.

 

Die zwölf Götter des Olymp

Viele Götter lebten auf dem Olymp, doch zwölf von ihnen waren die bedeutendsten. Über allen stand natürlich Zeus, der Blitz und Donner in seiner Gewalt hatte. Er herrschte über den Himmel und war der Vater der Götter und der Menschen. Danach kam die würdevolle Hera, Zeus’ Gemahlin, mit einem goldenen Diadem auf der Stirn. Auch sie gebot über den Himmel und war die Schutzherrin der Ehe und der Frauen. Die blauäugige Athene mit Speer und Helm war die Göttin der Weisheit, der Künste und der gerechten Kriege, der goldlockige Apollon mit seiner Leier der Gott des Lichtes und der Musik. Der Erderschütterer Poseidon mit dem Dreizack war der Gott des Meeres, die strenge Artemis mit Pfeil und Bogen die Göttin der mondhellen Nächte, der Wälder und der Jagd. Die anmutige Aphro­dite mit ihrem geflügelten Sohn Eros wurde als Göttin der Schönheit und der Liebe verehrt, der hinkende Hephaistos mit seinem Stock als Gott des Feuers und der Schmiedekunst. Die leidgeprüfte Demeter, die Göttin des Ackerbaus, hatte einen Kranz aus goldenen Ähren auf ihrem Haupt. Der schnellfüßige Hermes mit den Flügelschuhen war der Gott des Handels und der Bote des Zeus, der blutrünstige Ares in seiner Rüstung der wilde Gott des Krieges und die bescheidene Hestia die Göttin des Hauses und seines nie verlöschenden Herdes.

 

Gemeinsam mit diesen Göttern und noch vielen anderen herrschte Zeus über die Welt und wachte darüber, dass die Ordnung gewahrt bliebe und seine Gesetze nicht verletzt würden.

 

Die wunderbaren Geschichten vom Leben und von den Taten der zwölf Götter des Olymp werden Gegenstand der folgenden Kapitel sein.

 

Von Zeus war schon die Rede, doch gibt es noch weit mehr von ihm zu berichten. Als mächtigster aller Götter spielt er in der griechischen Mythologie immer wieder eine Rolle. Daher werden wir noch oft auf die Gestalt des Zeus, des Herrschers über die Götter und die Menschen, zurückkommen.


Excerpted from "Die Götter des Olymp" by Menelaos Stephanides
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